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tugal seinem Riesenreiche hinzuerwarb, es eigentlich versäumte, nach
Lissabon die Hauptstadt seines Pyrenäenreiches hin zu verlegen. Dann
hätte „die Sultanin des Westens" dieselbe Rolle gespielt, wie etwa
heute Liverpool, das den Verkehr und Handel mit Amerika beherrscht.
Aber es ist müßig, solchen Kombinationen in der Geschichte nach-
zugehen, und jedenfalls eignet sich der Tajo auch nicht in dem Grade
dazu, alle die natürlichen Reichtümer des Landes ausschließlich nach
Lissabon als dem Ausfuhrhafen hinzuleiten. — Im Mittelalter ist
die Pyrenäenhalbinsel wieder nach einer andern Hinsicht höchst inter-
essant. Es ist die Zeit des Cid und der Mauren. Zweimal hat
der Islam versucht, Europa zu unterjochen. Im 8. Jahrhundert
von Westen her durch die Araber, vom 15. Jahrhundert ab von der
Südostseite durch die Türken. Damals gelang es den Saracenen,
sich in der Pyrenäenhalbinsel festzusetzen; aber da der Islam wohl
vermag, seine Streiter zum Angriff zu begeistern, sie aber nicht zur
Seßhaftigkeit und zum Widerstande zu erziehen, so hat nach der
ersten stürmischen Eroberung Stillstand und Rückgang begonnen. Die
Christen der Halbinsel, die in die kantabrisch-asturischen Berge ge-
flüchtet waren, eroberten von da aus das Land allmählich zurück.
Daher hat der Thronfolger in Spanien den Titel Prinz von Asturien.
Aber lange Zeit faßen doch die Araber in Spanien, so daß man in
dem heutigen spanischen Volke die Mischung erkennen will: iberisches
Bergvolk, heißes Saracenenblut und gotische Eisensubstanz. In dieser
langen Zeit der arabischen Herrschaft in Spanien, die durch das
Kalifat von Cordova repräsentiert wird, hat das orientalisch-semitische
Volkstum eine Zeit hoher Blüte erlebt, und seine Spuren sind bis
in die heutige Zeit zu verfolgen. Einmal bewundern wir die arabi-
schen Bauten. Am Guadalquivir, dessen Name noch an die arabische
Zeit erinnert, und in Granada treffen wir auf die ehrwürdigen Zeugen
muhammedanischer Vergangenheit. In Cordova war vier Jahrhunderte
lang (bis 1031) der Sitz des Kalifats; es zählte eine Million Ein-
wohner, und man nannte es „das Mekka des Westens". An die
frühere Glanzzeit erinnert noch die herrliche Kathedrale, die in die
alte berühmte Moschee hineingebaut ist: la Mezquita. Die Moschee
war nächst der Kaaba zu Mekka der größte mohammedanische Tempel,
durch 1200 Säulen in 19 Längs- und 29 Querschiffe geteilt und
zur Zeit des Kalifats von 4700 geschliffenen Krystalllampen er-
leuchtet. In Sevilla, von wo der Guadalquivir schiffbar wird, üben
gleichermaßen auf uns maurische und altchristliche Denkmäler eine
zauberhafte Wirkung aus. Da ist zunächst Alkassar, „das Haus des
Cäsar", ursprünglich ein maurischer Palast mit seinen Hufeisen- und
Kielbogen; während die Außenflächen der Mauern ungegliedert sind,
erscheinen die Innenflächen mit ihren wunderbaren Ziegelarabesken
gleichsam, als wären sie aus den feinsten Spitzenstoffen gewebt. Von
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Extrahierte Ortsnamen: Lissabon Amerika Lissabon Europa Spanien Asturien Spanien Spanien Granada Cordova Mekka Mekka Sevilla
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fast ganz Asien unter der neuen Despotenherrschaft. Zu Samarkand
auf dem berühmten grünen Steine, der noch heute zu sehen ist,
stand der Thron des übergewaltigen Mongolenfürsten, und stets
diente ihm ein vornehmer Gefangener als Schemel seiner Füße.
Es war, als ob die Genialität des seltsamen Mannes sich auch als
besonders erfinderisch erwies in der Bestrafung der eroberten Städte.
Ein Massengemetzel unter den unglücklichen Einwohnern hatte auch
Dschingischan veranstalten lassen, aber Timur wußte in die Eintönig-
keit der Blutscenen noch einige entsetzliche Abwechselungen zu bringen.
In Persien wurden auf seinen Befehl die Gefangenen lebendig über-
einander geschichtet, mit Lehm und Kalk verputzt und zu Mauern
und Türmen kunstmäßig als Baumaterial verwertet. Ein andermal
ließ er in einer großen Grube die kugelförmig gefesselten Feinde
nebeneinander legen, dann Bretterlagen darüber befestigen und so
wie bei den Schichten einer Pastete oder Fruchttorte Menschenleiber
und Balkengezimmer in grausigem Gemische abwechseln. Jeder seiner
Krieger mußte eine bestimmte Anzahl Köpfe erschlagener Feinde ab-
liefern, und aus den übereinander gehäuften Schädeln — in Indien
waren es neunzigtausend — wurden Siegespyramiden errichtet, bei
deren Anblick wohl das Blut der Bezwungenen erstarren mochte.
Wenn gegenüber diesen Mongolenstürmen und Eroberungszügen
Europa als der leidende Teil erschien, so hat es auch nicht an An-
griffskriegen gefehlt, die Europa gegen Asien geführt hat. Schon
in den ältesten griechischen Mythen fordert Europa kampfgerüstet
Asien zum Kampfe heraus, und in der troischen Ebene maßen sich
zuerst Europäer und Asiaten in erbittertem Streite. Westasien wurde
dann durch die Feldzüge Alexanders des Großen und die Kreuzzüge
des Mittelalters heimgesucht. Der Einfluß des milderen Klimas,
die Einwirkung einer ästhetisch so bezaubernden und als Augenlust
dienenden Vegetation sänftigte und veredelte, wie Alexander von
Humboldt sagt, die rauheren europäischen Nordländer und hat nach
dieser Hinsicht trotz Kampf und Krieg unsäglichen Segen gestiftet. -
Dann haben die Engländer sich in Asien ein großes Reich gegründet,
und unter den stolzen Titeln der britischen Majestät prangt die wert-
volle Bezeichnung einer Kaiserin von Indien. Neuerdings ist nun
der gefährlichste Bedränger Asiens erstanden, der langsam und sicher
in Asien vordringt —' das ist Rußland. Kaiser Nikolaus pflegte
zu sagen, Rußland habe in Asien keine Grenzen, und in der That
beherrscht ja heute der Zar aller Reußen drei Fünftel des asiatischen
Länderleibes. So lvie die Trancheen gegen die belagerte Festung
mehr und mehr vorrücken uní) dem Angegriffenen Raum und Be-
wegung abgewinnen, so weiß Rußland von seinem kolossalen nord-
asiatischen Länderbesitz her gegen Mittel- und Lmdasien vorsichtig
vorzudringen.
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Extrahierte Personennamen: Alexanders Alexander_von
Humboldt Alexander Nikolaus Nikolaus
Extrahierte Ortsnamen: Samarkand Persien Indien Europa Europa Europa Westasien Asien Indien Asiens Asien Asien
6
sagenhafte Rheingold der Nibelungenzeit wieder ans Tageslicht fördern,
oder gar das Gold des Schwarzaflusses, das gerade genügt, um den
Schwarzburgifchen Fürsten die Trauringe zu liefern! Deshalb ziehen
auch die sibirischen Goldsucher, von ihrem Glücke berauscht, im Herbste
nach Tomsk, übrigens der heutigen sibirischen Universität, und zechen
dort wacker in Champagner, der natürlich entsprechend teuer ist und
bis über 7 Rubel die Flasche gelten soll. — Der sibirische Besitz
Rußlands hängt durch die Kirgisensteppe mit dem centralasiatischen
zusammen. Hier in der Steppe kann man noch völlig echtasiatisches
Tierleben beobachten. Wo in Nordasien die Renntierherden am Milz-
brand auszusterben anfangen, ähnlich wie ja auch in Nordamerika
die Büffel jetzt verschwunden find, gewährt es hier ein recht typisches
Bild, wenn der russische Kurier in seinem Gefährte dahinfliegt und
der kirgisische Kutscher die vierelang gespannten Kamele zur größten
Eile anspornt. Man nennt die Kirgisen die Franzosen Westasiens,
und unermüdlich ertönt ihre plappernde Unterhaltung in den zerstreut
stehenden Jurten oder Kibitken. —- Und nun sind die Russen erobernd
in das alte Baktrien vorgedrungen. Da, wo einst die Nordgrenze
auf dem Feldzuge Alexanders des Großen war, wo er am Jaxartes
sein Alexandria eschate gründete, haben die Russen schon längst die
Grenze passiert und treten von diesem nördlichen Eingangsthore her-
ein in die terra eo^nita der Alten. Jaxartes und Oxus, die heutigen
Syr und Amu, sind zu russischen Flüssen geworden, in Taschkent
residiert der Gouverneur des russischen Turkestan, und Chiwa, Mcrw
und Samarkand sind russische Militärstationen geworden. Wo hätten
sich das die persischen Dichter träumen lassen, die Samarkand, die
Stadt des gewaltigen Timur, mit ihren Kuppeln und Moscheen, mit
ihren lachenden Gärten und ihrer herrlichen Umgebung „das Schatz-
kästlein der ganzen Erde" nannten, daß einst dieser Wunderort des
Orients ein gehorsames Landstädtchen des weißen Zaren sein sollte.
Und das entschieden zum Vorteil der ganzen Landschaft, denn die
Reisenden sind froh, mitten unter dem Schmutz und Verfall der frü-
heren Herrlichkeit auf die Spuren europäischer Civilisation zu stoßen.
Von Samarkand und dem Thale des Amudarja aus steigt Asiens
Boden zu seinen berühmten centralen Erhebungen. Dort, wo die
gewaltigen Hochländer von Hinterasien und Vorderasien etwa um den
73. Längengrad zusammenstoßen, finden sich riesenhafte Ausrichtungen
der Erdoberfläche, Bergzüge, Plateaus1 und unweit davon der zweit-
größte Gipfel der Erde, der Dapsang in der Karakorumkette mit
8619 Meter Höhe, also fast doppelt so hoch als Europas höchster
Berg, der Montblanc. Die dominierende Stellung innerhalb dieser
auseinander stoßenden Erhebungen hat das Pamirplateau inne, das
S. Anhang 1.
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7
deshalb auch den Ehrentitel trägt: Dach der Erde. Und hier an
dieser interessantesten physikalisch-geographischen Stelle unseres Erd-
planeten bereiten sich auch politische Ereignisse von entschieden welt-
historischer Wichtigkeit vor. So wie etwa im lo. Jahrhundert unserer
Zeitrechnung Unteritalien den Tummelplatz und das Konfliktgebiet für
die drei damaligen Weltmächte abgab, die Deutschen, die Griechen und
die Araber, so haben sich hier auf dem Pamirplateau, zunächst aller-
dings mit Protesten und völkerrechtlichen Streitpunkten, gegenüber-
gestanden die drei Weltmächte Asiens: die Russen, Chinesen und
Engländer. Wenn der alte lateinische Spruch des Seipio noch gilt,
«plus animi est inferenti quam propulsanti periculum», so hat Ruß-
land den Vorteil der größeren Kampfesfreudigkeit und wohl auch des
Erfolges für sich. Denn planmäßig und ununterbrochen ist die russische
Eroberung vorgedrungen, den Russen fällt die Rolle des siegreichen
Angreifers zu, China und England müssen sich verteidigen, natürlich
mit verschiedener Widerstandsfähigkeit. — In der letzten Zeit hat
Rußland viel für die strategischen Sicherungen eines späteren An-
griffskrieges gethan. Das Wichtigste ist natürlich der Bau einer
Eisenbahn. Wenn wir die ganze Richtungslinie derselben verstehen
wollen, so müssen wir schon einige westlichere Anschlußlinien auf-
zählen. Demnach haben die Russen zunächst von Tiflis im Siiden
des Kaukasus, der Stadt des Mirza Schaffy, eine Bahn gebaut nach
Baku am Kaspischen Meere. Es ist das die heilige Stätte der alten
Parsen oder Feueranbeter, wo die Naphthaquellen ihre flammenden
Gase aus der Erde auflohen lassen und wo ringsherum Tempel zur
Verehrung dieses Naturwunders einladen. Von Baku fahren Dampf-
schiffe quer über den Kaspischen See nach Michailowsk im Turkmenen-
lande, und dann beginnt jene merkwürdige Bahn im Wüstensande,
deren beschwerlicher Bau wohl seines Gleichen gesucht haben mag.
Dicht am persischen Gebiete entlang — und Grenzstreitigkeiten und
Reibungen sind auch da schon vorgekommen — führt die Bahn nach
der Oase Merw, dann wendet sie sich etwas nordwärts, überschreitet
den Amu oder alten Oxus und mündet in Buchara und Samarkand.
Von Merw ist es leicht, einen Vorstoß gegen Afghanistan zu machen,
und von hier wird dann zum letzten Schlage gegen Indien ausgeholt.
Den Amudarja befahren jetzt regelmäßig russische Dampfschiffe, und
bis an die afghanische Grenze sind kreuzende russische Kriegsschiffe vor-
geschoben. Da liegt in unmittelbarster Nähe Batch, das alte Bactra,
und von Balch nach Kabul zum berühmten Eingangspasse Indiens, durch
den schon Alexander der Große zog, rechnet man nur zehn Tagemärsche.
Rußland hat sich den Grundsatz des alten Macedonierkönigs
Philipp angeeignet, in seinem großen Eroberungswerke sich mehrere
stellen zum Angriffe zugleich offen zu halten und die Gegner, wenn
man an der einen Seite Einbuße erleidet, schnell wieder auf der
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Extrahierte Personennamen: Merw Alexander Philipp Philipp
Extrahierte Ortsnamen: Unteritalien Asiens China England Tiflis Kaukasus Mirza_Schaffy Baku Kaspischen_Meere Baku Kaspischen_See Michailowsk Buchara Samarkand Afghanistan Indien Balch Kabul Indiens
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Konstantinopel nannten, ihre Mission, die Fackel des Lichts und
der Kultur ihren Kindern zuzutragen, träge versäumt; erst die
Deutschen haben sich dieser dankbaren Ausgabe unterzogen und sind
mit so großem Segen hier vorgedrungen, daß man schon davon
sprechen will, Kleinasien wäre das geeignetste Land für deutsche
Kolonisation. In Haidar Pascha bei Scutari, wo demnächst große
Quaibauten den Schiffsverkehr erleichtern und den Import und Export
der Waren steigern sollen, beginnt die Bahn. Den Berg am User
haben die Türken Bismarckberg getauft, und das soll der deutsche
Reisende und Kulturpionier als gutes Omen ansehen. Bis jetzt war
Kleinasien — wenigstens soweit die Spurweite der anatolischen
Bahn geht — als Waren erzeugendes und ausführendes Land nur
in geringem Maße vertreten; am gesuchtesten waren noch der Meer-
schaum aus den Gruben von Eskischehr und die Mohairwolle der
Angoraschafe; daneben spielten die Seide des Karasuthales, das
Opium in Afium und die Fayencen der Kunsttöpfer nur eine unter-
geordnete Rolle. Wie ganz anders wird sich aber das Land ent-
wickeln, wenn die Osmanen auf die Musterwirtschaften der Deutschen
längs des Bahnkörpers achten lernen und vor allen Dingen einen
intensiveren Landbau einführen und so einen reichlicheren Getreide-
export erzielen. Ein Uebelstand würde ja allerdings zunächst immer
bleiben, das ist der Mangel an genügendem Brennmaterial und
Waldesschatten. Die indolente türkische Wirtschaft hat die Wald-
bestünde schonungslos vernichtet, die Ziegen haben den aufkeimenden
Sprößlingen und Baumtrieben bald den Garaus gemacht, und so
braucht der kleinasiatische Türke wie der Mongole in Hinterasien den
Mist als willkommenes Heizungsmaterial.
Abgesehen von der merkantilen Bedeutung, die sich je länger
je mehr für die anatolische Bahn ergiebt, flößt das Land, das dieser
neue Bahnbau durchzieht, dem Europäer ein eminent historisches
Interesse ein. Schon auf der Strecke nach Jsmid begegnen wir
Stätten, wo Kaiser Konstantin der Große gestorben ist und wo die
Reste des großen Hannibal bestattet sein sollen. Der letztere hatte ja
schließlich seine Zuflucht bei dem Könige Prusias von Bithynien
genommen und schied mit den stolzen Worten aus dem Leben: „Er
wolle die Römer vor der Furcht vor einem alten Manne befreien."
Konstantin wiederum, der über 500 Jahre später lebte, hat das
Christentum in dem Römerreiche zur Staatsreligion erhoben und so
diesem zum weltüberwindenden Siege verholfen. In Jsmid erkennen
wir das alte Nikomedien wieder, und hier weisen imposante Spuren
aus einen zweiten römischen Kaiser, den verdienten Diokletian, der
allerdings sich den Christen furchtbar gemacht hat durch die letzte
und grausamste aller Christenverfolgungen. — Westlich vom Salaria,
dem alten Sangarius, in dessen Thal die Bahn verläuft, liegen die
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Extrahierte Personennamen: Hannibal Konstantin Diokletian
3 —
gar nicht einmal zu waschen und seinen Leib und seine Kleider von
dem zahlreichen Ungeziefer zu säubern. An dem mistgenährten Feuer
des Herdes wird der Ziegelthee bereitet, und bei den Hauptmahl-
zeiten werden außer diesem Nationalgetränk fast fabelhafte Mengen
Hammelfleisches vertilgt — Prschewalski spricht von fünf Kilogramm
auf eine Mahlzeit. Dabei sind die Mongolen die gläubigsten Bud-
dhisten, und neben dem eifrigen Abhaspeln ihrer Rosenkränze und
Gebetstrommeln kennen sie kein anderes Interesse als die Pflege
ihrer stattlichen Viehherden. Unter der chinesischen Herrschaft ver-
sinken sie mehr und mehr in Feigheit und erleiden überhaupt mo-
ralische Einbuße jeglicher Art. Und doch singen ihre fahrenden
Sänger noch immer von der einstigen Zeit der Mongolenherrlichkeit,
da „vor dem Blicke ihrer Chane die zehntausend Völker der Erde
erstarrten und die Erde erzitterte, wenn sie sich rührten". Der erste
Mongolenchan, von dem die Geschichte erzählt, war Temudschin,
später Dschingischan genannt, der Chan aller Chane. Östlich von
Urga, dem heutigen Sitze des zweiten großen Mongolenpapstes, des
Bogdalama, an den Quellen des Onon wurde Temudschin geboren,
und zu Beginn des 13. Jahrhunderts begann er seine welthistorische
Laufbahn. Auf dem Kuriltai, dem Reichstage, neben der Fahne,
von der vier schwarze Hengstschweife herabhingen, schworen die Mon-
golenhäuptlinge ihm blinden Gehorsam, und nun brauste das Völker-
unwetter hinab in die westlichen Tiefebenen, Dschingischan gab seinen
Kriegern eine furchtbare Lehre. Als bei der Einnahme von Herat
nicht alle Einwohner umgebracht waren, wurde er zornig und äußerte,
Mitleid wohne nur in schwächlichen Gemütern; von Milde und
Barmherzigkeit dürfe und solle niemals die Rede sein. Und so er-
klärt es sich auch, daß später bei der Eroberung von Bagdad
20000 Menschen ihr Leben verloren haben. Zudem bereitete es dem
Nomadenchan eine rechte Herzensfreude, seiner tiefen Verachtung
aller Büchergelehrsamkeit den unzweideutigsten Ausdruck zu geben.
Unter den Hufen der Rosse, auf denen die Mongolen in die Moscheen
ritten, wurden die heiligen Bücher der mohamedanischen Religions-
weisheit zertreten, oder es fraßen gar die hungrigen Gäule, da
zwischen die Blätter der Bücher Hafer geschüttet war, alle die tief-
sinnigen Sprüche vom großen Allah gleichmütig in sich hinein. —
Der zweite große Mongoleneroberer war wenigstens nach dieser
Seite hin eine gemildertere Erscheinung — denn er liebte die
Gelehrten, namentlich die Ärzte und Gesetzeskundigen —, aber
sonst war Tamerlan, der lahme Timur, ein weit entsetzlicherer Mensch
als Temudschin. Leider war sein Ehrgeiz und sein Genie womög-
lich noch bedeutender als bei dem ersten Mongolenchane. So wie
es nur einen Gott gebe, so solle, sagte er, auch nur ein Herrscher
auf Erden sein, und wirklich bei seinem Tode 1405 seufzte und zitterte
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15
Ruinen Nicäas, und mit den Erinnerungen an diese Stätte treten
wir in die Geschichte des christtichen Mittelalters, namentlich des
Kreuzzugszeitalters. In Nicäa war 325 das ökumenische Konzil,
das sich endgültig für die Homousie, also die Gottgleichheit Christi
entschied, und hier fand später die denkwürdige Belagerung während
des ersten Kreuzzuges statt, bei der 500000 Menschen in der Ebene
gelagert haben sollen. Bald ersteigt dann die Bahn das Hochland,
und dies ist die Stätte namenloser Leiden für unsere deutschen
Kreuzfahrer gewesen, die sich in stetem Kampfe mit den seldschukifchen
Reiterscharen elend durch die wüsten Striche vorwärts zu bewegen
suchten. Von Doryläon an, der alten phrygischen Stadt, gabelt
sich die Bahn; der eine Strang geht nach Iconium, der andere
nach Angora. Konia (Iconium des Mittelalters) ist berühmt durch
die Heldenthaten des alten Barbarossa; gleichzeitig belebt die zierliche
Ornamentik der Fayencekacheln die Ruinen der Paläste und Moscheen,
die hier die Seldschukensultane in ihrer mittelalterlichen Residenz
aufgerichtet hatten. Noch interessanter ist das Stadtbild Angoras,
wo vorläufig der andere Arm der deutschen Eisenbahn sein Ende
findet. Angora liegt in dem alten Galaterlande, das wir aus den
Zeiten Cäsars und Ciceros kennen und das auch in der Missions-
thätigkeit des Apostels Paulus seine Rolle gespielt hat. Ebenfalls
finden wir hier in den Ruinen des Augustustempels das merk-
würdige monumentum Ancyranum, eine der interessantesten Urkunden
des kaiserlichen Roms, das uns in selbstgefälligem Berichte die
Thaten des Augustus erzählt.
Von hier aus nun soll die neuerdings konzessionierte Bahn
ihre Trace verfolgen bis Bagdad und zum persischen Meerbusen und
so den Schätzen Indiens einen neuen bequemen Weg ins Herz
Europas hinein ermöglichen. Der „Landdampfer" Karawapor, wie
der Türke die Lokomotive nennt, trägt dann die modernste Kultur
in das alte Mesopotamien, von dem ja alle Kultur der Welt ihren
Ursprung genommen hat. Die Thontäfelchen der sogenannten
Bibliothek Asurbanipals versetzen uns in ihren litterärischen Denk-
mälern zurück in ferne Zeiten, und die sumerisch -akkadischen Bau-
denkmäler bezeugen uns das Dasein von Staaten in Südbabylonien
schon um die Mitte des fünften Jahrtausends v. Chr. Jetzt kehrt
also unsere modernste Kultur zurück zu jenen Urzeiten der Civilisation,
und es geht uns mit dieser neuesten Thatsache des Kulturfortschritts
wie mit jenem mystischen Symbol, wo die Schlange sich in den
Schwanz beißt.
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Extrahierte Personennamen: Christi Konia Barbarossa Barbarossa Cäsars Apostels Augustus
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no
führung des Geldes. Bei Kulturvölkern nahm nach und nach das
besondere Transportwesen dem Kaufmann die Beförderung seiner
Waren ab; die Neuzeit verbesserte Verkehrsmittel und Verkehrswege
und bildete eine neue Zollpolitik aus. Die Anfänge des heutigen Welt-
handels sind vielfach mit der Entdeckungsgeschichte aufs engste verknüpft.
Vor 4 Jahrtausenden hatte es der damalige Staat der Chinesen
(vgl. Mz 60k) schon zu einem Landbau- und Wege-Ministerium ge-
bracht; aber erst vor 2 Jahrtausenden, als das Reich etwa auf das
heutige eigentliche China erweitert und die ^-Grenze gegen Einfälle
gesichert war, begann die Seidenausfuhr nach W auf den „Seiden-
straßen" (vgl. Mz 55). Karawanenverkehr auf z. T. heute noch be-
nutzten Wegen (s. Mz 48, 51) verband auch die Gebiete Vorder-Asiens
und Ägyptens; wie in China entstanden auch hier die Anfänge des
Postwesensz das unter den römischen Kaisern staatlich geordnet wurde.
Den Seeweg beschritten die Phönizier; durch Küstenschiffahrt dehnten
sie ihren Handel über das Mittelmeer aus, gründeten im 12. Jahr-
hundert v. Chr. Cadiz (s. Mi 26) und drangen bis in die Nordsee
vor (vgl. Mi 30), desgl. vom Roten Meer aus nach Ostafrika und
Indien. Ihre erfolgreichen Schüler in der Ruderkunst waren die
Griechen, die von einzelnen Küstenpunkten aus auch tief ins Land
hinein zogen, so vom I§-Ende der Adria nach der Ostsee („Bernstein-
straße", vgl. U. 135), so von Massalia (vgl. Mi 30) rhoneaufwärts
und durch die Burgundische Pforte hindurch (vgl. Mh 28 e, 30). Wie
dann im westlichen Mittelmeer die phönizische Tochterstadt Karthago
die Vorherrschaft zur See gewann (vgl. Mz 7), so trat im östlichen
Mittelmeer der von Alexander dem Großen geschaffene Welthafen
Alexandria das griechische Erbe an (vgl. Mz 44sd). Eine größere
Zahl solcher Handelsplätze blühte im Römischen Reiche auf; die
neu angelegten Heerstraßen, die Einheitlichkeit in Münze und Ge-
wicht — und die Üppigkeit im kaiserlichen Rom hoben Handel und
Verkehr bedeutend. Einen schlimmen Rückschlag brachten die Stürme
der Völkerwanderung, sowie nachher die Wikingerfahrten. Erst das
Araber-Reich förderte — auch durch die Pilgerfahrten nach Mekka
(vgl. Mz 51a) — Land- und Wasserverkehr aufs neue; daneben war
die Hauptstadt des Oströmischen Reiches wieder ein Handelsmittelpunkt
geworden. Nach den Kreuzzügen gewannen italienische Städte
(besonders Venedig) die Handelsherrschaft über das Mittelmeer (vgl.
Mi 20), die süddeutschen Städte übernahmen die Waren, und die
Hansa beherrschte Nord- und Ostsee (vgl. Mg 8, 44); Köln gab ein
Beispiel für damaligen Land-, Fluß- und Seeverkehr (vgl. Mg 49 Ivc). 1
1 Zu Abrahams Zeit schau hat der große König Hammurabi (Amraphel, vgl.
1. Mosis, 14, 1, 9) das babylonische Reich so wohl geordnet, daß z. B. ein lebhafter
Postverkehr (Tontafeln statt unserer Postkarten) über die Staatsgrenzen hinaus be-
trieben werden konnte.
TM Hauptwörter (50): [T6: [Insel Stadt Meer Hafen Handel Hauptstadt Land Küste Einw. Halbinsel], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit]]
TM Hauptwörter (100): [T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T89: [Stadt Spanien Insel Land Jerusalem Reich Afrika Jahr Araber Herrschaft], T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T0: [Meer Insel Halbinsel Küste Ozean Afrika Land Europa Kap Straße]]
TM Hauptwörter (200): [T126: [Land Handel Europa Meer Osten Zeit Westen Volk Deutschland Jahrhundert], T11: [Kanal Rhein Verkehr Eisenbahn Fluß Land Meer Handel Stadt Deutschland], T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß], T29: [Geschichte Geographie Nr. Erdkunde Lesebuch Bild Iii allgemein Lehrbuch deutsch], T186: [Stadt Insel Hauptstadt Tunis Handel Afrika Land Hafen Küste Algier]]
Extrahierte Personennamen: Massalia Alexander Alexander Abrahams Mosis
Extrahierte Ortsnamen: Wege-Ministerium China China Cadiz Nordsee Ostafrika Indien Adria Ostsee Karthago Alexandria Rom Mekka Abrahams
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Astronom des Altertums", bestimmte (um 150 v. Chr., durch die Pol-
höhe von Rhodos) die geographische Breite. Zu Anfang der römischen
Kaiserzeit betonte Strabo die Wahrnehmung, daß man von fernen
Gegenständen nur die höheren Teile sieht, und Claudius Ptolemäus,
der alexandrinische Geograph (um 140 n. Chr.), * begründete die all-
seitige Krümmung der Erdoberfläche durch die bekannte Erscheinung,
daß man an jeder Küste von herannahenden Schiffen zuerst die Mast-
spitzen erblickt.
Schon die Auffassung des Altertums, daß unter seinen vier
„Elementen" die Erde das schwerste und unbeweglichste wäre, hinderte
die Erkenntnis ihrer Bewegung. Nur wenige Philosophen (wie
Heraklides vom Pontus, ein Schüler Plato's) lehrten — unter
dem Widerspruch der größten Geister — die Achsendrehung der Erd-
kugel; ja, Aristarch von Samos (um 280 v. Chr.) und der Chaldäer
Seleukos (um 160 v. Chr.) behaupteten sogar die Bewegung der
Erde um die Sonne, ohne indes Anklang zu ffnden.
Die maßgebenden Anschauungen des Altertums faßte Ptolemäus
in seinem Weltgebäude zusammen: die in der Mitte des Weltalls
ruhende Erdkugel würde umkreist von Mond, Merkur, Venus, Sonne,
Mars, Jupiter, Saturn und Fixsternhimmel; für die von der gleich-
förmigen Kreisbewegung abweichenden Erscheinungen bei Sonne, Mond
und Wandelsternen wurden künstlich ersonnene, z. T. verwickelte Er-
klärungen gegeben.^
Diesen Auffassungen gegenüber bedeutet die erste Halste des
christlichen Mittelalters einen starken Rückschritt in der Er-
kenntnis: nach den Unruhen der Völkerwanderung hatten die wissen-
schaftlichen Gemüter andere Ziele; man meinte, selbst für Erde und
Gestirne biblische Ausdrücke wörtlich nehmen zu müssen — kindliche
Anschauungen vom Weltbau wie von Fabelwesen ferner Länder
machten sich breit. Seit der Eroberung Alexandriens waren die
Araber, die den Ptolemäus übersetzten, die Erben der Griechen auch in
bezug auf Erdkunde und Astronomie, und erst aus arabischen Quellen
konnte die Gelehrsamkeit des Abendlandes Aufschluß über die Welt-
weisheit der Alten erlangen. Studien auf arabischen Hochschulen
(Spanien), denen schon der Erzieher Ottos Iii., der spätere Papst
Sylvester Ii. (ff 1003); oblagf im Verein mit dem Betriebe des
Griechischen (Kreuzzüge) verschafften im 13. Jahrhundert den
„ 1 Sein Hauptwerk ist unter dem arabischen Namen „Almagest" bekannt, gemäß
der Übersetzung, die der Kalif Al Mamum im Anfange des 9. Jahrhunderts her-
stellen ließ.
2 Die Planeten sollten sich in „Epizhkeln" bewegen, d. h. gleichförmig Kreise
durchlaufen, deren Mittelpunkte auf einem anderen Kreise fortrückten, so daß ihre
Bahnen selbst „Epizpkloiden" wären.
3 Vgl. Bll 60, S. 122, Anmerk. 2.
TM Hauptwörter (50): [T21: [Erde Sonne Tag Jahr Mond Zeit Stunde Punkt Abschnitt Periode], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit]]
TM Hauptwörter (100): [T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T81: [Sonne Erde Tag Mond Himmel Nacht Stern Zeit Licht Stunde], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T30: [Periode Abschnitt erster zweiter Zeitraum dritter Jahr Kapitel Sonne Planet], T12: [Wasser Luft Erde Höhe Körper Fuß Dampf Bewegung Druck Gewicht]]
TM Hauptwörter (200): [T74: [Zeit Wissenschaft Philosophie Geschichte Philosoph Werk Lehrer Schrift Sokrat Schüler], T164: [Sonne Erde Mond Tag Stern Planet Zeit Himmel Jahr Bewegung], T47: [Karte Lage Länge Breite Größe Meile Linie Ort Grenze Höhe]]