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1. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 57

1901 - Glogau : Flemming
— 57 — tugal seinem Riesenreiche hinzuerwarb, es eigentlich versäumte, nach Lissabon die Hauptstadt seines Pyrenäenreiches hin zu verlegen. Dann hätte „die Sultanin des Westens" dieselbe Rolle gespielt, wie etwa heute Liverpool, das den Verkehr und Handel mit Amerika beherrscht. Aber es ist müßig, solchen Kombinationen in der Geschichte nach- zugehen, und jedenfalls eignet sich der Tajo auch nicht in dem Grade dazu, alle die natürlichen Reichtümer des Landes ausschließlich nach Lissabon als dem Ausfuhrhafen hinzuleiten. — Im Mittelalter ist die Pyrenäenhalbinsel wieder nach einer andern Hinsicht höchst inter- essant. Es ist die Zeit des Cid und der Mauren. Zweimal hat der Islam versucht, Europa zu unterjochen. Im 8. Jahrhundert von Westen her durch die Araber, vom 15. Jahrhundert ab von der Südostseite durch die Türken. Damals gelang es den Saracenen, sich in der Pyrenäenhalbinsel festzusetzen; aber da der Islam wohl vermag, seine Streiter zum Angriff zu begeistern, sie aber nicht zur Seßhaftigkeit und zum Widerstande zu erziehen, so hat nach der ersten stürmischen Eroberung Stillstand und Rückgang begonnen. Die Christen der Halbinsel, die in die kantabrisch-asturischen Berge ge- flüchtet waren, eroberten von da aus das Land allmählich zurück. Daher hat der Thronfolger in Spanien den Titel Prinz von Asturien. Aber lange Zeit faßen doch die Araber in Spanien, so daß man in dem heutigen spanischen Volke die Mischung erkennen will: iberisches Bergvolk, heißes Saracenenblut und gotische Eisensubstanz. In dieser langen Zeit der arabischen Herrschaft in Spanien, die durch das Kalifat von Cordova repräsentiert wird, hat das orientalisch-semitische Volkstum eine Zeit hoher Blüte erlebt, und seine Spuren sind bis in die heutige Zeit zu verfolgen. Einmal bewundern wir die arabi- schen Bauten. Am Guadalquivir, dessen Name noch an die arabische Zeit erinnert, und in Granada treffen wir auf die ehrwürdigen Zeugen muhammedanischer Vergangenheit. In Cordova war vier Jahrhunderte lang (bis 1031) der Sitz des Kalifats; es zählte eine Million Ein- wohner, und man nannte es „das Mekka des Westens". An die frühere Glanzzeit erinnert noch die herrliche Kathedrale, die in die alte berühmte Moschee hineingebaut ist: la Mezquita. Die Moschee war nächst der Kaaba zu Mekka der größte mohammedanische Tempel, durch 1200 Säulen in 19 Längs- und 29 Querschiffe geteilt und zur Zeit des Kalifats von 4700 geschliffenen Krystalllampen er- leuchtet. In Sevilla, von wo der Guadalquivir schiffbar wird, üben gleichermaßen auf uns maurische und altchristliche Denkmäler eine zauberhafte Wirkung aus. Da ist zunächst Alkassar, „das Haus des Cäsar", ursprünglich ein maurischer Palast mit seinen Hufeisen- und Kielbogen; während die Außenflächen der Mauern ungegliedert sind, erscheinen die Innenflächen mit ihren wunderbaren Ziegelarabesken gleichsam, als wären sie aus den feinsten Spitzenstoffen gewebt. Von

2. Band 1 - S. 4

1900 - Glogau : Flemming
4 fast ganz Asien unter der neuen Despotenherrschaft. Zu Samarkand auf dem berühmten grünen Steine, der noch heute zu sehen ist, stand der Thron des übergewaltigen Mongolenfürsten, und stets diente ihm ein vornehmer Gefangener als Schemel seiner Füße. Es war, als ob die Genialität des seltsamen Mannes sich auch als besonders erfinderisch erwies in der Bestrafung der eroberten Städte. Ein Massengemetzel unter den unglücklichen Einwohnern hatte auch Dschingischan veranstalten lassen, aber Timur wußte in die Eintönig- keit der Blutscenen noch einige entsetzliche Abwechselungen zu bringen. In Persien wurden auf seinen Befehl die Gefangenen lebendig über- einander geschichtet, mit Lehm und Kalk verputzt und zu Mauern und Türmen kunstmäßig als Baumaterial verwertet. Ein andermal ließ er in einer großen Grube die kugelförmig gefesselten Feinde nebeneinander legen, dann Bretterlagen darüber befestigen und so wie bei den Schichten einer Pastete oder Fruchttorte Menschenleiber und Balkengezimmer in grausigem Gemische abwechseln. Jeder seiner Krieger mußte eine bestimmte Anzahl Köpfe erschlagener Feinde ab- liefern, und aus den übereinander gehäuften Schädeln — in Indien waren es neunzigtausend — wurden Siegespyramiden errichtet, bei deren Anblick wohl das Blut der Bezwungenen erstarren mochte. Wenn gegenüber diesen Mongolenstürmen und Eroberungszügen Europa als der leidende Teil erschien, so hat es auch nicht an An- griffskriegen gefehlt, die Europa gegen Asien geführt hat. Schon in den ältesten griechischen Mythen fordert Europa kampfgerüstet Asien zum Kampfe heraus, und in der troischen Ebene maßen sich zuerst Europäer und Asiaten in erbittertem Streite. Westasien wurde dann durch die Feldzüge Alexanders des Großen und die Kreuzzüge des Mittelalters heimgesucht. Der Einfluß des milderen Klimas, die Einwirkung einer ästhetisch so bezaubernden und als Augenlust dienenden Vegetation sänftigte und veredelte, wie Alexander von Humboldt sagt, die rauheren europäischen Nordländer und hat nach dieser Hinsicht trotz Kampf und Krieg unsäglichen Segen gestiftet. - Dann haben die Engländer sich in Asien ein großes Reich gegründet, und unter den stolzen Titeln der britischen Majestät prangt die wert- volle Bezeichnung einer Kaiserin von Indien. Neuerdings ist nun der gefährlichste Bedränger Asiens erstanden, der langsam und sicher in Asien vordringt —' das ist Rußland. Kaiser Nikolaus pflegte zu sagen, Rußland habe in Asien keine Grenzen, und in der That beherrscht ja heute der Zar aller Reußen drei Fünftel des asiatischen Länderleibes. So lvie die Trancheen gegen die belagerte Festung mehr und mehr vorrücken uní) dem Angegriffenen Raum und Be- wegung abgewinnen, so weiß Rußland von seinem kolossalen nord- asiatischen Länderbesitz her gegen Mittel- und Lmdasien vorsichtig vorzudringen.

3. Band 1 - S. 6

1900 - Glogau : Flemming
6 sagenhafte Rheingold der Nibelungenzeit wieder ans Tageslicht fördern, oder gar das Gold des Schwarzaflusses, das gerade genügt, um den Schwarzburgifchen Fürsten die Trauringe zu liefern! Deshalb ziehen auch die sibirischen Goldsucher, von ihrem Glücke berauscht, im Herbste nach Tomsk, übrigens der heutigen sibirischen Universität, und zechen dort wacker in Champagner, der natürlich entsprechend teuer ist und bis über 7 Rubel die Flasche gelten soll. — Der sibirische Besitz Rußlands hängt durch die Kirgisensteppe mit dem centralasiatischen zusammen. Hier in der Steppe kann man noch völlig echtasiatisches Tierleben beobachten. Wo in Nordasien die Renntierherden am Milz- brand auszusterben anfangen, ähnlich wie ja auch in Nordamerika die Büffel jetzt verschwunden find, gewährt es hier ein recht typisches Bild, wenn der russische Kurier in seinem Gefährte dahinfliegt und der kirgisische Kutscher die vierelang gespannten Kamele zur größten Eile anspornt. Man nennt die Kirgisen die Franzosen Westasiens, und unermüdlich ertönt ihre plappernde Unterhaltung in den zerstreut stehenden Jurten oder Kibitken. —- Und nun sind die Russen erobernd in das alte Baktrien vorgedrungen. Da, wo einst die Nordgrenze auf dem Feldzuge Alexanders des Großen war, wo er am Jaxartes sein Alexandria eschate gründete, haben die Russen schon längst die Grenze passiert und treten von diesem nördlichen Eingangsthore her- ein in die terra eo^nita der Alten. Jaxartes und Oxus, die heutigen Syr und Amu, sind zu russischen Flüssen geworden, in Taschkent residiert der Gouverneur des russischen Turkestan, und Chiwa, Mcrw und Samarkand sind russische Militärstationen geworden. Wo hätten sich das die persischen Dichter träumen lassen, die Samarkand, die Stadt des gewaltigen Timur, mit ihren Kuppeln und Moscheen, mit ihren lachenden Gärten und ihrer herrlichen Umgebung „das Schatz- kästlein der ganzen Erde" nannten, daß einst dieser Wunderort des Orients ein gehorsames Landstädtchen des weißen Zaren sein sollte. Und das entschieden zum Vorteil der ganzen Landschaft, denn die Reisenden sind froh, mitten unter dem Schmutz und Verfall der frü- heren Herrlichkeit auf die Spuren europäischer Civilisation zu stoßen. Von Samarkand und dem Thale des Amudarja aus steigt Asiens Boden zu seinen berühmten centralen Erhebungen. Dort, wo die gewaltigen Hochländer von Hinterasien und Vorderasien etwa um den 73. Längengrad zusammenstoßen, finden sich riesenhafte Ausrichtungen der Erdoberfläche, Bergzüge, Plateaus1 und unweit davon der zweit- größte Gipfel der Erde, der Dapsang in der Karakorumkette mit 8619 Meter Höhe, also fast doppelt so hoch als Europas höchster Berg, der Montblanc. Die dominierende Stellung innerhalb dieser auseinander stoßenden Erhebungen hat das Pamirplateau inne, das S. Anhang 1.

4. Band 1 - S. 7

1900 - Glogau : Flemming
7 deshalb auch den Ehrentitel trägt: Dach der Erde. Und hier an dieser interessantesten physikalisch-geographischen Stelle unseres Erd- planeten bereiten sich auch politische Ereignisse von entschieden welt- historischer Wichtigkeit vor. So wie etwa im lo. Jahrhundert unserer Zeitrechnung Unteritalien den Tummelplatz und das Konfliktgebiet für die drei damaligen Weltmächte abgab, die Deutschen, die Griechen und die Araber, so haben sich hier auf dem Pamirplateau, zunächst aller- dings mit Protesten und völkerrechtlichen Streitpunkten, gegenüber- gestanden die drei Weltmächte Asiens: die Russen, Chinesen und Engländer. Wenn der alte lateinische Spruch des Seipio noch gilt, «plus animi est inferenti quam propulsanti periculum», so hat Ruß- land den Vorteil der größeren Kampfesfreudigkeit und wohl auch des Erfolges für sich. Denn planmäßig und ununterbrochen ist die russische Eroberung vorgedrungen, den Russen fällt die Rolle des siegreichen Angreifers zu, China und England müssen sich verteidigen, natürlich mit verschiedener Widerstandsfähigkeit. — In der letzten Zeit hat Rußland viel für die strategischen Sicherungen eines späteren An- griffskrieges gethan. Das Wichtigste ist natürlich der Bau einer Eisenbahn. Wenn wir die ganze Richtungslinie derselben verstehen wollen, so müssen wir schon einige westlichere Anschlußlinien auf- zählen. Demnach haben die Russen zunächst von Tiflis im Siiden des Kaukasus, der Stadt des Mirza Schaffy, eine Bahn gebaut nach Baku am Kaspischen Meere. Es ist das die heilige Stätte der alten Parsen oder Feueranbeter, wo die Naphthaquellen ihre flammenden Gase aus der Erde auflohen lassen und wo ringsherum Tempel zur Verehrung dieses Naturwunders einladen. Von Baku fahren Dampf- schiffe quer über den Kaspischen See nach Michailowsk im Turkmenen- lande, und dann beginnt jene merkwürdige Bahn im Wüstensande, deren beschwerlicher Bau wohl seines Gleichen gesucht haben mag. Dicht am persischen Gebiete entlang — und Grenzstreitigkeiten und Reibungen sind auch da schon vorgekommen — führt die Bahn nach der Oase Merw, dann wendet sie sich etwas nordwärts, überschreitet den Amu oder alten Oxus und mündet in Buchara und Samarkand. Von Merw ist es leicht, einen Vorstoß gegen Afghanistan zu machen, und von hier wird dann zum letzten Schlage gegen Indien ausgeholt. Den Amudarja befahren jetzt regelmäßig russische Dampfschiffe, und bis an die afghanische Grenze sind kreuzende russische Kriegsschiffe vor- geschoben. Da liegt in unmittelbarster Nähe Batch, das alte Bactra, und von Balch nach Kabul zum berühmten Eingangspasse Indiens, durch den schon Alexander der Große zog, rechnet man nur zehn Tagemärsche. Rußland hat sich den Grundsatz des alten Macedonierkönigs Philipp angeeignet, in seinem großen Eroberungswerke sich mehrere stellen zum Angriffe zugleich offen zu halten und die Gegner, wenn man an der einen Seite Einbuße erleidet, schnell wieder auf der

5. Band 1 - S. 14

1900 - Glogau : Flemming
14 Konstantinopel nannten, ihre Mission, die Fackel des Lichts und der Kultur ihren Kindern zuzutragen, träge versäumt; erst die Deutschen haben sich dieser dankbaren Ausgabe unterzogen und sind mit so großem Segen hier vorgedrungen, daß man schon davon sprechen will, Kleinasien wäre das geeignetste Land für deutsche Kolonisation. In Haidar Pascha bei Scutari, wo demnächst große Quaibauten den Schiffsverkehr erleichtern und den Import und Export der Waren steigern sollen, beginnt die Bahn. Den Berg am User haben die Türken Bismarckberg getauft, und das soll der deutsche Reisende und Kulturpionier als gutes Omen ansehen. Bis jetzt war Kleinasien — wenigstens soweit die Spurweite der anatolischen Bahn geht — als Waren erzeugendes und ausführendes Land nur in geringem Maße vertreten; am gesuchtesten waren noch der Meer- schaum aus den Gruben von Eskischehr und die Mohairwolle der Angoraschafe; daneben spielten die Seide des Karasuthales, das Opium in Afium und die Fayencen der Kunsttöpfer nur eine unter- geordnete Rolle. Wie ganz anders wird sich aber das Land ent- wickeln, wenn die Osmanen auf die Musterwirtschaften der Deutschen längs des Bahnkörpers achten lernen und vor allen Dingen einen intensiveren Landbau einführen und so einen reichlicheren Getreide- export erzielen. Ein Uebelstand würde ja allerdings zunächst immer bleiben, das ist der Mangel an genügendem Brennmaterial und Waldesschatten. Die indolente türkische Wirtschaft hat die Wald- bestünde schonungslos vernichtet, die Ziegen haben den aufkeimenden Sprößlingen und Baumtrieben bald den Garaus gemacht, und so braucht der kleinasiatische Türke wie der Mongole in Hinterasien den Mist als willkommenes Heizungsmaterial. Abgesehen von der merkantilen Bedeutung, die sich je länger je mehr für die anatolische Bahn ergiebt, flößt das Land, das dieser neue Bahnbau durchzieht, dem Europäer ein eminent historisches Interesse ein. Schon auf der Strecke nach Jsmid begegnen wir Stätten, wo Kaiser Konstantin der Große gestorben ist und wo die Reste des großen Hannibal bestattet sein sollen. Der letztere hatte ja schließlich seine Zuflucht bei dem Könige Prusias von Bithynien genommen und schied mit den stolzen Worten aus dem Leben: „Er wolle die Römer vor der Furcht vor einem alten Manne befreien." Konstantin wiederum, der über 500 Jahre später lebte, hat das Christentum in dem Römerreiche zur Staatsreligion erhoben und so diesem zum weltüberwindenden Siege verholfen. In Jsmid erkennen wir das alte Nikomedien wieder, und hier weisen imposante Spuren aus einen zweiten römischen Kaiser, den verdienten Diokletian, der allerdings sich den Christen furchtbar gemacht hat durch die letzte und grausamste aller Christenverfolgungen. — Westlich vom Salaria, dem alten Sangarius, in dessen Thal die Bahn verläuft, liegen die

6. Band 1 - S. 3

1900 - Glogau : Flemming
3 — gar nicht einmal zu waschen und seinen Leib und seine Kleider von dem zahlreichen Ungeziefer zu säubern. An dem mistgenährten Feuer des Herdes wird der Ziegelthee bereitet, und bei den Hauptmahl- zeiten werden außer diesem Nationalgetränk fast fabelhafte Mengen Hammelfleisches vertilgt — Prschewalski spricht von fünf Kilogramm auf eine Mahlzeit. Dabei sind die Mongolen die gläubigsten Bud- dhisten, und neben dem eifrigen Abhaspeln ihrer Rosenkränze und Gebetstrommeln kennen sie kein anderes Interesse als die Pflege ihrer stattlichen Viehherden. Unter der chinesischen Herrschaft ver- sinken sie mehr und mehr in Feigheit und erleiden überhaupt mo- ralische Einbuße jeglicher Art. Und doch singen ihre fahrenden Sänger noch immer von der einstigen Zeit der Mongolenherrlichkeit, da „vor dem Blicke ihrer Chane die zehntausend Völker der Erde erstarrten und die Erde erzitterte, wenn sie sich rührten". Der erste Mongolenchan, von dem die Geschichte erzählt, war Temudschin, später Dschingischan genannt, der Chan aller Chane. Östlich von Urga, dem heutigen Sitze des zweiten großen Mongolenpapstes, des Bogdalama, an den Quellen des Onon wurde Temudschin geboren, und zu Beginn des 13. Jahrhunderts begann er seine welthistorische Laufbahn. Auf dem Kuriltai, dem Reichstage, neben der Fahne, von der vier schwarze Hengstschweife herabhingen, schworen die Mon- golenhäuptlinge ihm blinden Gehorsam, und nun brauste das Völker- unwetter hinab in die westlichen Tiefebenen, Dschingischan gab seinen Kriegern eine furchtbare Lehre. Als bei der Einnahme von Herat nicht alle Einwohner umgebracht waren, wurde er zornig und äußerte, Mitleid wohne nur in schwächlichen Gemütern; von Milde und Barmherzigkeit dürfe und solle niemals die Rede sein. Und so er- klärt es sich auch, daß später bei der Eroberung von Bagdad 20000 Menschen ihr Leben verloren haben. Zudem bereitete es dem Nomadenchan eine rechte Herzensfreude, seiner tiefen Verachtung aller Büchergelehrsamkeit den unzweideutigsten Ausdruck zu geben. Unter den Hufen der Rosse, auf denen die Mongolen in die Moscheen ritten, wurden die heiligen Bücher der mohamedanischen Religions- weisheit zertreten, oder es fraßen gar die hungrigen Gäule, da zwischen die Blätter der Bücher Hafer geschüttet war, alle die tief- sinnigen Sprüche vom großen Allah gleichmütig in sich hinein. — Der zweite große Mongoleneroberer war wenigstens nach dieser Seite hin eine gemildertere Erscheinung — denn er liebte die Gelehrten, namentlich die Ärzte und Gesetzeskundigen —, aber sonst war Tamerlan, der lahme Timur, ein weit entsetzlicherer Mensch als Temudschin. Leider war sein Ehrgeiz und sein Genie womög- lich noch bedeutender als bei dem ersten Mongolenchane. So wie es nur einen Gott gebe, so solle, sagte er, auch nur ein Herrscher auf Erden sein, und wirklich bei seinem Tode 1405 seufzte und zitterte

7. Band 1 - S. 15

1900 - Glogau : Flemming
15 Ruinen Nicäas, und mit den Erinnerungen an diese Stätte treten wir in die Geschichte des christtichen Mittelalters, namentlich des Kreuzzugszeitalters. In Nicäa war 325 das ökumenische Konzil, das sich endgültig für die Homousie, also die Gottgleichheit Christi entschied, und hier fand später die denkwürdige Belagerung während des ersten Kreuzzuges statt, bei der 500000 Menschen in der Ebene gelagert haben sollen. Bald ersteigt dann die Bahn das Hochland, und dies ist die Stätte namenloser Leiden für unsere deutschen Kreuzfahrer gewesen, die sich in stetem Kampfe mit den seldschukifchen Reiterscharen elend durch die wüsten Striche vorwärts zu bewegen suchten. Von Doryläon an, der alten phrygischen Stadt, gabelt sich die Bahn; der eine Strang geht nach Iconium, der andere nach Angora. Konia (Iconium des Mittelalters) ist berühmt durch die Heldenthaten des alten Barbarossa; gleichzeitig belebt die zierliche Ornamentik der Fayencekacheln die Ruinen der Paläste und Moscheen, die hier die Seldschukensultane in ihrer mittelalterlichen Residenz aufgerichtet hatten. Noch interessanter ist das Stadtbild Angoras, wo vorläufig der andere Arm der deutschen Eisenbahn sein Ende findet. Angora liegt in dem alten Galaterlande, das wir aus den Zeiten Cäsars und Ciceros kennen und das auch in der Missions- thätigkeit des Apostels Paulus seine Rolle gespielt hat. Ebenfalls finden wir hier in den Ruinen des Augustustempels das merk- würdige monumentum Ancyranum, eine der interessantesten Urkunden des kaiserlichen Roms, das uns in selbstgefälligem Berichte die Thaten des Augustus erzählt. Von hier aus nun soll die neuerdings konzessionierte Bahn ihre Trace verfolgen bis Bagdad und zum persischen Meerbusen und so den Schätzen Indiens einen neuen bequemen Weg ins Herz Europas hinein ermöglichen. Der „Landdampfer" Karawapor, wie der Türke die Lokomotive nennt, trägt dann die modernste Kultur in das alte Mesopotamien, von dem ja alle Kultur der Welt ihren Ursprung genommen hat. Die Thontäfelchen der sogenannten Bibliothek Asurbanipals versetzen uns in ihren litterärischen Denk- mälern zurück in ferne Zeiten, und die sumerisch -akkadischen Bau- denkmäler bezeugen uns das Dasein von Staaten in Südbabylonien schon um die Mitte des fünften Jahrtausends v. Chr. Jetzt kehrt also unsere modernste Kultur zurück zu jenen Urzeiten der Civilisation, und es geht uns mit dieser neuesten Thatsache des Kulturfortschritts wie mit jenem mystischen Symbol, wo die Schlange sich in den Schwanz beißt.

8. Teil 2 = Mittelstufe, 1. Stück - S. 16

1900 - Glogau : Flemming
16 bestimmt hat. ^ Und wenn jetzt auch andere Häfen des Orients durch eigene Dampferverbindungen dem Seeverkehr Konstantinopels etwas Eintrag thun, so ist dafür zu Lande durch den Eisenbahnbau (s. o. S. 8) der Verkehr verstärkt; kann man doch (seit 1888) in den „Orient-Expreßzügen" (zweimal wöchentlich) die Strecke von Konstantinopel bis Paris in 67 Stunden zurücklegen! Stark bewehrte Verteidigungswerke in der Nordhälfte des Bosporus schützen die Hauptstadt vor einem Seeangriff von N her, wie die Dardanellen-Befestigungen gegen einen solchen von 8. Der Stadtbezirk zu beiden Seiten des Goldenen Horns hat beinahe 900000 Einwohner; zählt man alle Vororte, auch die asiatischen, mit dazu, so kommt 1 Million heraus; die Gesamtzahl der Griechen und Armenier kommt dabei der der Türken (eigentlich Osmanli oder Osmanen)^ gleich. Der Sultan oder Großherr (Padischah) ist nicht nur der Kaiser des Türkischen Reiches, sondern auch das geistliche Oberhaupt der meisten Moham-medaner, der „Beherrscher der Gläubigen" (Chalif). Unter dem jetzigen Sultan b sind in Heer und Verwaltung unter Zuziehung europäischer (namentlich deutscher) Offiziere und Beamten Verbesserungen eingeführt; das zeigt sich auch an den neueren Einrichtungen der Hauptstadt. Nächst Konstantinopel ist Saloniki (im Altertum Th essalon ich) der bedeutendste Seehafen der europäischen Türkei. Die Bevölkerung (150000 Einw.) besteht zur Hälfte aus Juden, zu einem Viertel aus Griechen. Dieser Handelsplatz an der Küste der getreide- und tabal-reichen Landschaft Makedonien verdankt seine Bedeutung einerseits der Schiffahrt auf dem At]ätschen Meere, andererseits der dem Wardar-und Morawa-Thale folgenden Bahnlinie, die sich bei Belgrad an das österreichisch-ungarische Eisenbahnnetz anschließt (s. o. S. 8). Der südöstliche Ausläufer der Chalkidischen Halbinsel, der weithin sichtbare Marmorkegel des Athos (1900 m), ist seit einem Jahrtausend der Sitz zahlreicher Klöster (darum „heiliger Berg" genannt). Mitten zwischen Saloniki und Konstantinopel führt eine Eisenbahn die untere Maritza aufwärts, trifft mit der Orientlinie .ftniv stantinopel—belgrad zusammen und erreicht Adrianopel, ^ den Kreuzungspunkt wichtiger Verkehrsstraßen ein der Einmündung der Tundscha (s. o. S. 8). <l) Dem Fürstentum Bulgarien ist seit 1885 die (seit 1878 halb selbständige) eigentlich türkische Provinz Ost-Rumelien an- 1 Der Markt, insbesondere eine große Markthalle, heißt bei den Morgen-landern Bazar [bafdi]. 2 Nach Lsman I. (1300), dem Begründer des Reiches, genannt. 3 Sein Herrschersitz (Jildis-Kiosk) ist in einem Vororte an der europäischen Bosporus-Seite, nördlich von Skntari. 4 Die Stadt wnrde von Kaiser Hadrian gegründet und nach ihm benannt. (378 ©kg der Goten: 1366 —1453 Hauptstadt der Türken.)

9. Teil 5 = Oberstufe - S. 119

1905 - Glogau : Flemming
no führung des Geldes. Bei Kulturvölkern nahm nach und nach das besondere Transportwesen dem Kaufmann die Beförderung seiner Waren ab; die Neuzeit verbesserte Verkehrsmittel und Verkehrswege und bildete eine neue Zollpolitik aus. Die Anfänge des heutigen Welt- handels sind vielfach mit der Entdeckungsgeschichte aufs engste verknüpft. Vor 4 Jahrtausenden hatte es der damalige Staat der Chinesen (vgl. Mz 60k) schon zu einem Landbau- und Wege-Ministerium ge- bracht; aber erst vor 2 Jahrtausenden, als das Reich etwa auf das heutige eigentliche China erweitert und die ^-Grenze gegen Einfälle gesichert war, begann die Seidenausfuhr nach W auf den „Seiden- straßen" (vgl. Mz 55). Karawanenverkehr auf z. T. heute noch be- nutzten Wegen (s. Mz 48, 51) verband auch die Gebiete Vorder-Asiens und Ägyptens; wie in China entstanden auch hier die Anfänge des Postwesensz das unter den römischen Kaisern staatlich geordnet wurde. Den Seeweg beschritten die Phönizier; durch Küstenschiffahrt dehnten sie ihren Handel über das Mittelmeer aus, gründeten im 12. Jahr- hundert v. Chr. Cadiz (s. Mi 26) und drangen bis in die Nordsee vor (vgl. Mi 30), desgl. vom Roten Meer aus nach Ostafrika und Indien. Ihre erfolgreichen Schüler in der Ruderkunst waren die Griechen, die von einzelnen Küstenpunkten aus auch tief ins Land hinein zogen, so vom I§-Ende der Adria nach der Ostsee („Bernstein- straße", vgl. U. 135), so von Massalia (vgl. Mi 30) rhoneaufwärts und durch die Burgundische Pforte hindurch (vgl. Mh 28 e, 30). Wie dann im westlichen Mittelmeer die phönizische Tochterstadt Karthago die Vorherrschaft zur See gewann (vgl. Mz 7), so trat im östlichen Mittelmeer der von Alexander dem Großen geschaffene Welthafen Alexandria das griechische Erbe an (vgl. Mz 44sd). Eine größere Zahl solcher Handelsplätze blühte im Römischen Reiche auf; die neu angelegten Heerstraßen, die Einheitlichkeit in Münze und Ge- wicht — und die Üppigkeit im kaiserlichen Rom hoben Handel und Verkehr bedeutend. Einen schlimmen Rückschlag brachten die Stürme der Völkerwanderung, sowie nachher die Wikingerfahrten. Erst das Araber-Reich förderte — auch durch die Pilgerfahrten nach Mekka (vgl. Mz 51a) — Land- und Wasserverkehr aufs neue; daneben war die Hauptstadt des Oströmischen Reiches wieder ein Handelsmittelpunkt geworden. Nach den Kreuzzügen gewannen italienische Städte (besonders Venedig) die Handelsherrschaft über das Mittelmeer (vgl. Mi 20), die süddeutschen Städte übernahmen die Waren, und die Hansa beherrschte Nord- und Ostsee (vgl. Mg 8, 44); Köln gab ein Beispiel für damaligen Land-, Fluß- und Seeverkehr (vgl. Mg 49 Ivc). 1 1 Zu Abrahams Zeit schau hat der große König Hammurabi (Amraphel, vgl. 1. Mosis, 14, 1, 9) das babylonische Reich so wohl geordnet, daß z. B. ein lebhafter Postverkehr (Tontafeln statt unserer Postkarten) über die Staatsgrenzen hinaus be- trieben werden konnte.

10. Teil 5 = Oberstufe - S. 3

1905 - Glogau : Flemming
— 3 Astronom des Altertums", bestimmte (um 150 v. Chr., durch die Pol- höhe von Rhodos) die geographische Breite. Zu Anfang der römischen Kaiserzeit betonte Strabo die Wahrnehmung, daß man von fernen Gegenständen nur die höheren Teile sieht, und Claudius Ptolemäus, der alexandrinische Geograph (um 140 n. Chr.), * begründete die all- seitige Krümmung der Erdoberfläche durch die bekannte Erscheinung, daß man an jeder Küste von herannahenden Schiffen zuerst die Mast- spitzen erblickt. Schon die Auffassung des Altertums, daß unter seinen vier „Elementen" die Erde das schwerste und unbeweglichste wäre, hinderte die Erkenntnis ihrer Bewegung. Nur wenige Philosophen (wie Heraklides vom Pontus, ein Schüler Plato's) lehrten — unter dem Widerspruch der größten Geister — die Achsendrehung der Erd- kugel; ja, Aristarch von Samos (um 280 v. Chr.) und der Chaldäer Seleukos (um 160 v. Chr.) behaupteten sogar die Bewegung der Erde um die Sonne, ohne indes Anklang zu ffnden. Die maßgebenden Anschauungen des Altertums faßte Ptolemäus in seinem Weltgebäude zusammen: die in der Mitte des Weltalls ruhende Erdkugel würde umkreist von Mond, Merkur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter, Saturn und Fixsternhimmel; für die von der gleich- förmigen Kreisbewegung abweichenden Erscheinungen bei Sonne, Mond und Wandelsternen wurden künstlich ersonnene, z. T. verwickelte Er- klärungen gegeben.^ Diesen Auffassungen gegenüber bedeutet die erste Halste des christlichen Mittelalters einen starken Rückschritt in der Er- kenntnis: nach den Unruhen der Völkerwanderung hatten die wissen- schaftlichen Gemüter andere Ziele; man meinte, selbst für Erde und Gestirne biblische Ausdrücke wörtlich nehmen zu müssen — kindliche Anschauungen vom Weltbau wie von Fabelwesen ferner Länder machten sich breit. Seit der Eroberung Alexandriens waren die Araber, die den Ptolemäus übersetzten, die Erben der Griechen auch in bezug auf Erdkunde und Astronomie, und erst aus arabischen Quellen konnte die Gelehrsamkeit des Abendlandes Aufschluß über die Welt- weisheit der Alten erlangen. Studien auf arabischen Hochschulen (Spanien), denen schon der Erzieher Ottos Iii., der spätere Papst Sylvester Ii. (ff 1003); oblagf im Verein mit dem Betriebe des Griechischen (Kreuzzüge) verschafften im 13. Jahrhundert den „ 1 Sein Hauptwerk ist unter dem arabischen Namen „Almagest" bekannt, gemäß der Übersetzung, die der Kalif Al Mamum im Anfange des 9. Jahrhunderts her- stellen ließ. 2 Die Planeten sollten sich in „Epizhkeln" bewegen, d. h. gleichförmig Kreise durchlaufen, deren Mittelpunkte auf einem anderen Kreise fortrückten, so daß ihre Bahnen selbst „Epizpkloiden" wären. 3 Vgl. Bll 60, S. 122, Anmerk. 2.
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